
Ein Herz aus Fleisch und Blut
„Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ Auf diese Zusage Gottes, die uns der Propheten Hesekiel zuruft, möchte man am liebsten mit einem Stoßseufzer antworten: Ja, Herr, dann mach es bald! Denn unsere Herzen sind mutlos und schwer geworden im vergangenen Jahr und drohen zu versteinern. Vor allem eines bedrückt unsere Herzen sehr: Viel Gewalt ist im Namen Gottes verübt worden. Der Glauben hat Schaden genommen durch Menschen, die man nur als verblendet und irregeleitet bezeichnen kann, da ist sich auch die große Mehrheit der Muslime einig. Eine der schlimmsten Wirkungen all der Gewalt ist, dass sie Gegengewalt erzeugt. Gewalt macht die Herzen hart und lässt sie versteinern – sowohl Gewalt, die ausgeübt wird, als auch Gewalt, die erlitten wird.
Darum will Gott die Gewalt durchbrechen. Er nimmt die Gewalt auf sich, liefert sich den steinernen Herzen aus, um uns danach durch die Auferstehung die Hand ganz neu zu reichen. Steinerne Herzen können nur durch Worte und Taten der Liebe erweicht werden. Solche Weichheit des Herzens ist keine Schwäche. Wer Mitfühlen und Mitdenken kann, wer ein Gespür für die Not von Menschen hat, zeigt vielmehr Stärke: Stärke darin, Schmerz und Kummer auch auszuhalten und sich von ihnen nicht in die Knie zwingen zu lassen. Herzenshärte ist oft genug schlichte Feigheit: Feigheit vor Gefühlen und Einsichten, die unser Leben verändern.
Menschen, die auf ihr Herz hörten und sich engagierten, werden neuerdings als „Gutmenschen“ verspottet: Daran zeigt sich, wie verhärtet unsere Gesellschaft ist und wie nötig wir ein neues Herz haben. Es ist die feste Überzeugung unseres christlichen Glaubens, dass uns Gott in Jesus Christus begegnet, um unserer Herzen zu erweichen. Wobei das „Herz“ für die biblischen Menschen nicht nur der Sitz von Gefühlen und Stimmungen ist. Das Herz ist der Ort der Gedanken: Maria, so hören wir am Ende der Weihnachtsgeschichte, bewegte alles, was sie hörte und erlebte, in ihrem Herzen. „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“ Was für eine schöne Verheißung für das kommende Jahr!
Pfarrer Roland Kupski, Kassel