Tageslosung

Es ist keine aktuelle Losung vorhanden, bitte informieren Sie den Webmaster.
Gedanken zum Monatsspruch Juli 2019
monatsspruchjuli2019rgb

 

Zwei Ohren und ein Mund

Im Juli vor 40 Jahren kam der erste Walkman auf den Markt. Experten waren sich sicher, dass ein solches Gerät, mit dem man nur Musik abspielen kann, blanker Unsinn sei. Doch das tragbare Kassettenabspielgerät erlangte schnell Kultstatus. Ob beim Rollschuhlaufen, der Fahrt im Schulbus oder im Rücksitz des Familienautos: Mit Kopfhörern und der passenden Musik auf den Ohren fühlt man sich frei und unabhängig.
Längst hat das Smartphone den Walkman abgelöst. Doch unsere Wahrnehmung der Welt blieb verändert. Die Wissenschaft spricht vom „Walkman-Effekt“: Die Kopfhörer erzeugen mobile Innenräume, mit denen sich der Mensch gegen Außenräume abgrenzen konnte. Eine Innovation mit therapeutischem Potential: Die französische Psychoanalytikerin Julia Kristeva wusste von einem jungen Mann zu berichten, der sich nur mithilfe des Walkmans vor den Attacken der eigenen Phantasmen schützen konnte.
Der Spruch für den Monat Juli bekommt so einen anderen Nachklang: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“ (Jakobus 1,19). Das ist nicht nur gelungene Konfliktberatung, allzu vorschnell übereinander zu urteilen. Es ist auch eine mögliche Antwort auf die alte Frage, warum der Mensch zwei Ohren hat und nur einen Mund. Weil Beten eben auch da beginnen kann, wo man innehält und auf Distanz geht. Der Weg zur Kontemplation ist die geistige Schau mit allen Sinnen.
Im Mittelalter spekulierten Kirchenväter über das Mysterium der jungfräulichen Empfängnis. Sie stellten Vermutungen an, ob Maria den Heiligen Geist nicht durch das Ohr empfangen hat. Bildliche Darstellungen zeigen das göttliche Wort, wie es in Form von Luft, Wind, Schall oder Taube ins Ohr der Jungfrau eintritt. In der Diskussion der Kirchenväter avancierte das Ohr zum heiligen Körperraum, in dem sich die Umwandlung des Göttlichen, Nicht-Materiellen in physische Substanz vollzieht. Das Ohr wurde zum zentralen Ausgangspunkt göttlichen Werdens in der Welt. Weil man dem Wort eben mitunter nicht besser als mit Schweigen und Hören dienen kann. „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ (Mt 11,15).

Pfarrer
Dr. Matti Schindehütte Marburg-Elnhausen

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.